M. Widenmeyer: „Welt ohne Gott? Eine kritische Analyse des Naturalismus“ – Teil 1

widenmeyer-welt-ohne-gottWarum verhalten sich die Dinge gesetzmäßig, woher kommt die „Ordnung“ in der Natur? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? Was ist das „innere Wesen“ der Dinge? Woher stammen Bewusstsein und Geist? In dem Buch „Welt ohne Gott? Eine kritische Analyse des Naturalismus“ setzt sich der evangelikale Christ Markus WIDENMEYER mit solchen Fragen auseinander. Er behauptet, aus Sicht des Naturalismus der Naturwissenschaften seien all diese Fragen nicht nur „radikal unerklärt“, sondern prinzipiell unerklärbar. Er entwickelt daraus Argumente gegen den Naturalismus und behauptet, die einzig rationale Antwort auf diese Fragen sei „Gott“ (bzw. der Supranaturalismus). In diesem Buch bündeln sich die Argumente religiös motivierter Naturalismuskritik; wir wollen es daher in 10 Teilen besprechen. Teil 1 widmet sich der Frage, ob es prinzipielle Grenzen der Naturwissenschaften gibt und ob der Supranaturalismus eine (plausible) Erklärung für sie liefern kann.

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Zusammenfassung

WIDENMEYERs Naturalismuskritik scheitert an dem performativen Selbstwiderspruch, einerseits die Existenz nicht mehr hinterfragbarer Tatsachen (sog. facta bruta) als Unzulänglichkeit des Naturalismus und als Plausibilitätsargument zugunsten der Existenz Gottes zu interpretieren, andererseits aber die Gottexistenz als factum brutum voraussetzen zu müssen. Dieser Widerspruch wird nur oberflächlich zugedeckt, indem Gott als in sich verständlich bezeichnet wird, womit etwas vorausgesetzt wird, was nicht weiter begründet werden kann.

Dem Autor gelingt es nicht zu zeigen, wie der Supranaturalismus zu konkreteren Erkenntnissen oder gar zu Erklärungen gelangen könnte als der Naturalismus. Den an sich gestellten Anspruch, einen intelligibleren Lösungsansatz zu präsentieren als den Naturalismus, kann er nicht einlösen. Im Gegenteil, die Erklärungsleistung, die WIDENMEYER für den Supranaturalismus beansprucht, geht nicht über das Niveau undifferenzierter All-Erklärungen hinaus. Eine ordentliche Theorie des Übernatürlichen und der behaupteten Interaktion zwischen Gottes Geist und der Materie kann er nicht anbieten. Er unterstreicht damit ungewollt die naturalistische Grundeinsicht, dass das Verständnis der Welt nicht über sie hinaus führt. Ironischerweise wirft der Autor dem Naturalismus zu Unrecht den Gebrauch magischer Elemente vor, von denen er selbst üppig Gebrauch macht.

Der Supranaturalismus kann keine Evidenz beanspruchen, weil nichts aus der Erfahrung auf außerweltliche Planung hindeutet. Das Analogie-Argument ist nur dann scheinbar plausibel, wenn man alles, was wir über intelligente Planer wissen (etwa, dass es keine reinen Geistwesen gibt und dass sie sich nicht über die Naturgesetzlichkeit der Welt hinwegsetzen können), ignoriert und ins Gegenteil verkehrt. Daher kann sich WIDENMEYER nicht auf Rationalität, sondern nur auf den A-priori-Glaubensstandpunkt berufen, dass sich eine geistige Ordnung bei Gott aus sich selbst erklärt, wogegen alle materielle Ordnung einer weiteren Erklärung bedarf.

Oft skizziert der Autor vermeintliche Probleme des Naturalismus, die nur aus dem Blickwinkel seiner speziellen Metaphysik zu existieren scheinen, dem Selbstverständnis des Naturalismus und Materialismus jedoch widersprechen: So beruht des Autors Vorstellung von der Existenz eines unerklärbaren „inneren Wesens“ der Dinge und ihrer Eigenschaften aus materialistisch-naturalistischer Sicht teils auf einem Kategorienfehler, weil er „Eigenschaften“ und „Substanzen“ vergegenständlicht, teils auf der philosophischen Anschauung des Phänomenalismus, wonach wir nur die Erscheinungen der Dinge erkennen, nicht aber das Wesen der Dinge selbst rekonstruieren können. Diese Anschauung ist jedoch anti-realistisch, womit WIDENMEYER die Basis seiner eigenen Argumentation wegschneidet. Die Grundzüge des Naturalismus und Materialismus, die er kritisiert, hat er nicht hinreichend verstanden.

Quelle

http://www.ag-evolutionsbiologie.net/pdf/2015/widenmeyer-welt-ohne-gott-kritik-naturalismus-teil-1.pdf

http://www.ag-evolutionsbiologie.net/html/2015/widenmeyer-welt-ohne-gott-kritik-naturalismus-teil-1.html